Kölner Ärzte im Einsatz für Wohnunglosen – Rheinisches Ärzteblatt berichtet

Seit mehr als 20 Jahren kümmern sich Mediziner in der Domstadt ehrenamtlich um das gesundheitliche Wohl von Menschen ohne festen Wohnsitz. Für ihr Engagement in einer mobilen Sprechstunde haben sie nun den Ehrenamtspreis der Stadt Köln erhalten.

Arzt und Wohnungsloser Foto: ble
Sprechstunde für Obdachlose: Der Internist Dr. Ulrich Mennicken und der Medizinstudent Stephan Rybczynski vom Verein Gesundheit für Wohnungslose e.V.
Foto: ble

von Bülent Erdogan

Zweimal in der Woche, montags und mittwochs um 21 Uhr, findet an der U-Bahn-Haltestelle Appellhofplatz im Herzen Kölns, vis-à-vis des altehrwürdigen Zeughauses, eine besondere Sprechstunde statt: Dann stellen sich Wohnungslose oder Menschen ohne Krankenversicherung vor einem weißen Ford Transit an, um sich wegen kleinerer oder größer Malaisen behandeln oder beraten zu lassen. Ort und Zeit sind gut gewählt, denn vorher oder nachher lockt neben einem Small Talk auch eine Suppe, die die gemeinnützige Emmaus-Gemeinschaft dort werktäglich ab 21 Uhr an „Berber“ und andere Menschen ohne festes Dach über dem Kopf austeilt.

Organisiert wird die medizinische Erstversorgung vom Verein Gesundheit für Wohnungslose e.V. Elf Ärztinnen und Ärzte, sieben Krankenpflegekräfte und sechs ehrenamtliche Fahrer teilen sich die Sprechstunden in der Kölner City untereinander auf. Den großen Wagen und einfache Medikamente wie Schmerzmittel, Salben und Mittel gegen Hautkrankheiten sowie Magen-Darm-Arzneimittel und Antibiotika stellt das Gesundheitsamt der Stadt Köln. Für sein langjähriges Engagement hat der Verein kürzlich den Ehrenamtspreis der Stadt Köln erhalten.

An diesem Mittwochabend im August sind Dr. Ulrich Mennicken (73), ehemals Leitender Oberarzt am Klinikum Leverkusen, und Stephan Rybczynski, gelernter Krankenpfleger und Medizinstudent im neunten Semester, für ihre Patienten da. Mennicken ist seit 2005 dabei, immer mittwochs, was ihm schon einen gewissen Ruf eingebracht habe: „Mittwochs kommt der Mennicken“, heiße es inzwischen, sagt der Internist mit einem Schmunzeln. Noch vor Beginn der Sprechstunde hat sich eine kleine Schlange von fünf Menschen vor der Schiebetür gebildet, im Hintergrund stehen noch einmal 25 Menschen für die Suppe an. Auf dem Turm des Zeughauses schaut das goldene Flügelauto des Künstlers HA Schult der untergehenden Sonne hinterher. „Wir sind eine kleine Insel für die im weitesten Sinne Gescheiterten. Wir vollbringen keine Wunder, sondern machen palliative Medizin“, sagt Mennicken.

Rybczynski ist seit 2014 einmal im Monat dabei. „Hier gewinnt man einen ganz anderen Blick auf die Medizin und auf Menschen, die aus dem System herausgefallen sind. Auf Menschen, die man eben nicht in Klinik oder Praxis zu Gesicht bekommt, weil sie keine Versicherung haben oder eine solche auch nicht wollen“, sagt der großgewachsene 32-Jährige, der im Vereinsvorstand ist und sich vorstellen kann, später als Anästhesist oder Allgemeinmediziner tätig zu sein. Für ihn war die mobile Sprechstunde auch eine Gelegenheit, im Kontakt mit den Betroffenen mit vermeintlichen Gewissheiten über Obdachlosigkeit zu brechen: „Oft ist es mit den Menschen nämlich anders gelaufen, als man es sich früher gemeinhin vorgestellt hätte.“ Manches Schicksal, sagt dessen heutiger Sprechstundenpartner Mennicken, beschäftige ihn, trotz aller professionellen Abgrenzungsroutine, schon einmal etwas länger.

Maßgeblichen Anteil an der 1995 ins Leben gerufenen Initiative hat Dr. Peter Krebs, ehemaliger Chefarzt der Inneren Abteilung des Krankenhauses St. Agatha im Kölner Stadtteil Niehl. „Wir möchten den hilfesuchenden Menschen immer auf Augenhöhe begegnen“, sagt der Internist und Vorsitzende des Vereins. Im Jahr betreue der Verein etwa 500 Menschen, manches Gesicht sehe man auch häufiger. „Hinter unserem niederschwelligen Angebot steht immer die Hoffnung, dass sich diese Menschen für vorhandene, dauerhafte Hilfsangebote öffnen. Dabei begegnen wir immer wieder Menschen, die im ersten Moment häufig sehr ängstlich sind und nachher unglaublich dankbar für das Angebot“, sagt der 90-Jährige. Auf Betreiben von Krebs eröffnete St. Agatha laut eigener Klinik-Chronik im Jahr 1980 die erste Psychosomatische Abteilung Kölns, „Station Monika“ mit zunächst zwölf Zimmern.

„Eine gewisse Herausforderung stellt schon einmal die Abgabe der Schmerzmittel dar, wenn sich der Patient in einer Drogenersatztherapie befindet. Aber man lernt mit der Zeit, sich richtig zu verhalten“, sagt Krebs. Seit einigen Jahren werde der Ford Transit vermehrt von EU-Bürgerinnen und -Bürgern angesteuert, die aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland und Köln gekommen sind, um ihr Glück zu suchen – und ohne Krankenversicherung dastehen.

Wie Rybczynski wünscht sich auch Krebs mehr Verständnis für die an den Gesellschaftsrand geratenen Menschen, sowohl in der Bevölkerung als auch innerhalb der Ärzteschaft: „Abzurutschen und zu einem Außenseiter zu werden, das geht ganz schnell, zum Beispiel nach einer Scheidung, als Folge von Überschuldung oder nach einem Schicksalsschlag. In ganz kurzer Zeit kann man auf der Straße landen“, sagt Krebs.

 

Link:
http://www.aekno.de/page.asp?pageID=17270&noredir=True